Wer ist das?

von Zehra Çirak

Das ist einer der, seine Objekte sind das

Das ist etwas, worüber man sich die Hände über den Kopf zerschlagen möchte, weil es sticht wie eine Spitze im Gedächtnis, ins Herz und in den Bauch.
Er selbst ist wie der Nabel einer Verbindung, von sich über seine Arbeiten zu den anderen. Jürgen, das ist einer, der voller Atem arbeitet, sagt und mitteilt…, das was er meint.
Seine Objekte sind Vermittler, manchmal Briefe, manchmal Telegramme an die Betrachter. Mit seinem Enthusiasmus und seiner Geduld hat er nicht nur an sich selbst gearbeitet. Mich und meine schriftstellerischen Versuche hat er immer wieder stützend und antreibend auf einen glücklichen Weg geführt.
Jürgen Walter provoziert gerne, und seine Objekte sind seine Argumente, die er aus der Realität gewinnt. Manchmal sind es Alpträume, manchmal ist es Witzhaftes, und man kann lachen oder weinen. Beides treibt Körperflüssigkeit aus den Poren. Nur beim Lachen geht es schneller als beim Schwitzen.
Jürgen Walter, der ist einer, der es anders wissen will, aber es geht immer um ein und dasselbe. Al-so auch um ihn. Das heißt, er versucht den Men-schen nicht zu trennen von den Dingen der Men-schen. Aber das bedeutet ein ständiges Tauziehen mit anderen zu führen. Das Seil, das sind seine Objekte. Manchmal reißt das Seil, und dann gibt es Geschepper und die Fetzen fliegen. Dabei bleibt manches auf der Strecke und kommt beim gemütlichen Spazierengehen plötzlich einem zwischen die Füße, und man stolpert über seine Aussagen. Wenn man fliehen kann, muß man schnell sein. Und wenn man zu schnell ist, wird sich einiges unterwegs verlieren.
Eine fernöstliche Weisheit lautet: „Wer die Wahr-heit sagt, braucht ein schnelles Pferd.“ Jürgen Walter, der ist kein Reiter, aber gesattelt mit Wün-schen und Versuchen, auf denen leicht auszurut-schen ist.
Er selbst braucht Zeit – langsam, ganz langsam nähert er sich dem, was Mensch ist. Der Mensch ist sein Maß.
Wenn auf den Gesichtern der Besucher seiner Ausstellungen oftmals ein verschmitztes Lächeln zu sehen ist, dann kann man davon ausgehen, daß Jürgen Walter zur Sekunde das erreicht hat, was Jahre Zeit brauchte.
Seine Objekte sind Passionen, und sie sind Geschichten, die Gesichter haben. Manche Gesichter sind falsch, so wie die Hoffnungen, die sich Jür-gen macht auf eine bessere Menschheit. Aber was will er denn bloß sehen? Er sieht nur was er weiß, wie jeder. Dies wiederum macht oft aus dem Ho-nig seiner Objekte ein Gift, das auch er im eigenen Blute hat.
Und so geht er langsam im Arbeiten voran. Scheint keine Fußstapfen zu brauchen, und fällt er auf die Nase, die ihm die Richtung zeigt, wo Mensch stinkt, dann wühlt er und findet, alles stinkt nach Mensch! Vieles stinkt ihm zu persön-lich.
Ob es das Gebirge, das Meer, die Wiese oder der Bach ist, überall war schon einer gewesen. Nichts ist unbetreten, unbetastet. Alles scheint begehbar – und scheinbar leicht zu überfliegen.
Jürgen Walters Objekte sind Geländer oder Krücken beim Bewandern der Innerlichkeit der Spezis Mensch.
Alles Neue ist ein Spiegel. Jürgens Objekte sind Spiegel, in die man nicht gerne schaut, ausgenommen man sieht darin besser aus, als man eigentlich ist.
Ach, wären seine leichten Dinge nicht. Seine Handbewegung rund um den eigenen Kopf, der in Ideen schwimmt. Und seine Streicheleinheiten an manchmal Wildfremden. Ach, wären seine optimistischen Gesten nicht, die er wie Zuckerbrot und Peitsche verteilt, dann müsse man verstum-men. Doch gelingt es ihm auf erstaunliche Weise, den Leuten oft solch widersprüchliche Worte aus den Mündern zu locken, daß in einem amüsanten Ball-Spiel der Begriffe, daß Unausgesprochene sich gegenseitig trifft. Bei solchen Begegnungen mit Jürgen Walter, fällt es leicht sich in seinen Gedankengängen mitzubewegen. Manche wenden sich um und schauen noch einmal rückwärts, winken und schlagen verbal zurück, getrauen sich, so frech wie er zu sein, mit Argumenten, die, wie er es so gern hat, treffen. Aber das ist kein Schaden.

Adam und Eva, ein Apfel – alle drei mit einem Wurm. Da braucht man keine Schlange dazu und es schmeckt doch beim ersten Biß. Und was dann folgt, ist Verantwortung. Jürgen Walter trägt.